Centros de capacitacion en medicina nativa

This blog is for internships and experiences in places where they conserve native medicine and traditional practices, mostly in the Amazon, but also the Andes and the Coast. (Este es un programa de pasantías y experiencia por lugares donde aun se conservan la medicina nativa y las practicas tradicionales, tanto en la Amazonía, en los Andes como en la Costa.)

Thursday, November 22, 2007

Esperanza

“ Dein einziger Wunsch: sterben. Aber es ist grossartig.”
“Die Erfahrung deines Lebens.”
“Glaub mir, du hast keine Ahnung, was auf dich zukommt.”

Mir steht der Schweiss auf der Stirn.
Mich erwartet die Todesliane:

Ayahuasca.

Der Fingerhut Fluessigkeit soll mich auf ein hoeheres Bewusstsein bringen. Indem das Halluzinogen durch meine Adern stroemt und langsam und unwiderbringlich in mein Hirn sickert, verbindet sie mich mit der Welt der Geister. Einige berichten von Unterhaltungen mit laengst verstorbenen Verwandten, andere blicken in ihre Zukunft.

Bei einer Tasse Tee haben wir uns im Ecotrackersoffice versammelt, um gemeinsam in den Dschungel zu fahren und Ayahuasca zu nehmen. Keiner von uns hat bis jetzt Erfahrungen damit sammeln koennen und so lauschen wir gebannt den Worten von Max und Antonella, seiner Tochter. Sie schwaermt vom Fliegen und er von Alfonso, dem Schamanen, der die Macht der Luft besitzt und uns durch die Zeremonie begleiten wird. Er entstammt einer Familie, die seit Generation Schamanismus praktiziert, Vater und Grossvater sind in der Gemeinde hoch angesehen.

Ein Punkt, der mich ein wenig beruhigt. Wie durch Zufall bin ich erst kuerzlich ueber einen Zeitungsbericht gestolpert, der von zwei Italienern berichtete, die nach der falschen Anwendung von Ayahuasca einen grausamen Tod fanden. Was bei diesen beiden ein wenig zu weit fuehrte, wird von den Schamanen im uebertragenen Sinn durchaus angestrebt. Durch die Einnahme soll unter anderem der Tod kennengelernt werden. Ihrer Ansicht nach ist die moeglichst realistische Nahtoderfahrung notwendig, um das Leben in seiner vollen Form und damit in seiner ganzen Bedeutung erfassen zu koennen.


Die Bedeutung dieses Trips fuer uns? Noch im Smog von Quito verborgen.
Die Einnahme des Ayahuasca ist als Abschluss einer Zeremonie der inneren und aeusseren Reinigung, um verlorene Balance wiederherzustellen, vorgesehen. Als Ideal wird ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur angestrebt.

Dieses Zeichen des Gleichgewichts trage ich zehn Stunden spaeter auf meiner Stirn, neben mir Melinda, auf deren Stirn das Zeichen des Wassers leuchtet und Max mit dem Zeichen des Feuers. Feuer, Wasser, Erde und Luft gelten im Schamanismus als unsterbliche Seelen. Pflanzen, Tiere und Menschen besitzen sterbliche Seelen. Da Seelen der Pflanzen nicht entweichen koennen, wird bei Aufnahme der Pflanze automatisch ihre Seele mit aufgenommen und die heilende Wirkung kann sich im Koerper entfalten.
Clothario traegt das Zeichen der aufgehenden Sonne, Margarethe den Frieden, Celine die Sonne und Antonella den Mond. Jedes dieser Zeichen mit seiner tiefergehenden Bedeutung soll von uns erfasst und in unserem Verstaendnis interpretiert werden. Dies erklaert uns Alfonso mit seiner beruhigenden, wohlklingenden Stimme, waehrrend wir uns am Feuer aufwaermen, ueber dem die Teufelssuppe brodelt. Einen goldenen Schimmer verstroemend tritt das Ayahuasca schaeumend und blubbernd ueber den Rand. So schlecht riecht es gar nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, was mir gekochte Baumstuecke schon anhaben sollen….
Viel schlimmer war der obligatorische Schluck Alkohol, den wir als Teil der Purifikation runterzuwuergen hatten. Man munkelt, dass nicht das Ayahuasca die immense halluzinogene Wirkung besitzt, sondern dieser 2$ Rum von der Tanke.

Die Besetzung durch die Spanier brachte einen bedeutenden Wandel der schamanischen Riten mit sich. Im Urwald, in den ein Vorstoss nicht moeglich war, wird heutzutage als Mittel zur Reinigung nach alter Tradition hauptsaechlich Tabak verwendet. In den Kuestenregionen allerdings erhielten Schamanen den Alkohol und verwenden ihn nun sowohl zur aeusserlichen als auch zur teilweise innerlichen Reinigung. Sein abscheulicher Gestank haengt noch in der Luft. Alfonso nimmt einen Schluck in den Mund und mit einer Mischung aus Pusten und Spucken sprueht er ihn in einer Fontaene ueber Menschen und Dinge. Jahrelang muss dieses Spucken perfektioniert werden.

Natuerlich musste ich das auch gleich ausprobieren. Heraus kam leider nur ein duennlicher Spuckfaden. Um diesen Part muessen Wikipedia Artikel auf jeden Fall erweitert werden. Da stellt man sich einen mit Rasseln und Tierfellen ausgestatteten Medizinmann vor und trifft auf einen prustenden Mann in Trainingshose…

Grinsend betrachtet dieser die zitternden Gringos, die hinter ihm her durch das Dickicht stolpern. Jede Wurzel, jede Bluete und jedes Blatt besitzt eine heilende Wirkung oder spirituelle Bedeutung. So sammelt jeder von uns drei Samen von einem kleinen, unscheinbaren Strauch, die fuer die Inka einen hoeheren Wert als Gold besassen. Als Symbol des Lebens sind sie unzerstoerbar und werden als Teil der Zeremonie verwendet. Einer der Samen wird mit einem Wunsch fuer die Menschheit, die zwei anderen mit persoenlichen Bitten dem Ayahuasca zugegeben. Ob ich mir wuenschen soll, diese Nacht zu ueberleben?
Lieber haette ich das mal. Als wir mit Kerzen ausgestatten tiefer in den Urwald vordringen durchbricht Alfonsos heiteres Lachen die idyllische Stille, als einer auf dem schlammigen Pfad ausrutscht und wir in einem Knaeul den Abhang hinunterkugeln. Mein Gesicht aus dem Morast erhebend, erblicke ich vor mir das “Wasser des Lebens”, das sich in einem kleinen Rinnsal den Berg hinabschlaengelt. An diesem heiligen Ort beginnt fuer uns vor dem inneren Ausspuelen das aeussere Abwaschen. Zitternd und froestelnd wieder in meine klammen Kleider gehuellt, erscheint mir mit dem Gedanken an ein warmes Schaumbad die Tatsache, dass Voelker hier jahrhundertelang ueberlebten, unglaublich.

Es ist zwoelf. Kein Laut ist zu vernehmen. Es geht los.

Wir stellen uns in einer Bambushuette im Kreis auf. Das einzige Licht kommt von einer Kerze, die neben Glaskugeln, Holzlanzen und Alkohol auf dem Tisch steht. Es wird ein wenig heller, als sich der erste Verrueckte neben Alfonso setzt und dieser die Kerze des Freiwilligen entzuendet. Positive und negative Energien sind durch das vorherige Abreiben des kompletten Koerpers auf die Kerze uebertragen. Anhand der Flamme kann Alfonso entscheiden, ob er bereit ist.
Er ist es.
Einige Minuten fast unertraeglicher Spannung verstreichen, nachdem er die kleine Holzschuessel von seinen Lippen abgesetzt hat. Noch steht er.

Man setzt sich, wartet, trinkt, steht auf und wartet.
Die Routine wird urploetzlich unterbrochen als Margarethe vor Alfonso sitzt. Anstatt die Formeln zu sprechen und die Schuessel mit Ayahuasca zu fuellen, wendet er sich ihr zu und fluestert: “Hast du Probleme mit deinem Herzen?”
Was soll das heissen? Was meint er? Ein entsetzter Ausdruck breitet sich auf ihrem Gesicht aus. Nach einigen Sekunden, die wie Stunden verstreichen, entweicht ihr ein zoegerliches Hauchen. Sie schluckt einige Male und beginnt schliesslich mit duenner Stimme zu berichten, dass ein Doktor ihr einmal prognostizierte, dass ihr Herz unterschiedlich schnell schlaegt. Hilfesuchend wendet sie sich um und fragt in die Totenstille: “ Aber… aber, das macht doch nichts. Oder?”

Unglaublich. Wie kann er das wissen? Alles starrt gebannt auf den Schamanen, der seufzend den Kopf senkt.
Der erste Freiwillige stuerzt wuergend ins Freie.

Er schuettelt langsam den Kopf und spricht:” Wenn ich dir die Fluessigkeit gebe, ist dies das letzte, das du zu dir nimmst.”

Scheisse.
Ich bin als naechstes an der Reihe.

Er nimmt meine Kerze entgegen, entzuendet sie und blickt einige Minuten schweigend in die Flamme.
Grinsend blickt er mich an: “ Hoffnung. Du musst nur Hoffnung haben.”

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